GACP- und GMP-Anforderungen bei der Herstellung von medizinischen Cannabisblüten in der Schweiz

19.11.2025

Cannabis Greenhouse Plantation

Den schweizerischen Regulierungsrahmen verstehen

Die Herstellung von medizinischem Cannabis in der Schweiz wird durch zwei unterschiedliche Rechtsbereiche geregelt: das Betäubungsmittelgesetz (BetmG / LStup) und das Heilmittelgesetz (HMG / LPTh).

Gemäss dem Merkblatt Swissmedic 2025 gilt Cannabis mit einem Gesamt-THC-Gehalt ≥ 1,0 % als kontrollierte Substanz des Verzeichnisses a der OTStup-DFI und unterliegt somit den vollständigen Kontrollmassnahmen für Betäubungsmittel der Liste a.

Pflanzliches Material, das zur pharmazeutischen Weiterverarbeitung bestimmt ist, fällt während der landwirtschaftlichen Phase weiterhin unter das Betäubungsmittelrecht, wird jedoch ab jeder Verarbeitung, die die pharmazeutische Qualität beeinflusst, dem Heilmittelrecht unterstellt.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die jeweiligen Rollen von GACP und GMP klar zu verstehen.


Was GACP abdeckt: die landwirtschaftliche Phase

Die GACP (Good Agricultural and Collection Practice) bezieht sich auf die landwirtschaftliche Produktion und die primäre Behandlung von Pflanzenmaterial.

Swissmedic stellt im Merkblatt 2025 ausdrücklich klar:

Swissmedic zertifiziert oder inspiziert die GACP-Anwendung nicht, da die landwirtschaftlichen Schritte nicht unter die Definition von Heilmitteln gemäss HMG fallen.
Die GACP wird im Einleitungskapitel des GMP-Anhangs 7 erwähnt, gehört aber nicht zum Zuständigkeitsbereich von Swissmedic.

In der Praxis umfasst die GACP den gesamten frühen Produktionsprozess: den eigentlichen Anbau, die Ernte und die primären Nacherntearbeiten. Dazu gehören eine schonende Trocknung ohne Decarboxylierung, das Entfernen überschüssiger Pflanzenbestandteile sowie die Vorbereitung des Materials für die Übergabe.

All diese Schritte gelten vollständig als Teil der Kultivierung und fallen unter die entsprechende Bewilligung gemäss OCStup.

Solange diese Tätigkeiten keinen Einfluss auf die pharmazeutische Qualitätsbewertung haben, bleiben sie im GACP-/OCStup-Bereich.


Wann GMP gilt: die pharmazeutische Phase

Sobald ein Verarbeitungsschritt die pharmazeutische Qualität des Pflanzenmaterials beeinflusst, tritt die GMP (Good Manufacturing Practice) in Kraft und damit die Zuständigkeit der LPTh.

Im Kapitel 4.2.1 des Merkblatts 2025 steht:

«Arzneimittel müssen gemäss den geltenden GMP-Richtlinien hergestellt werden… Die Herstellung pflanzlicher Arzneimittel unterliegt GMP Teil I oder Teil II sowie den Anforderungen des Anhangs 7.»

Kapitel 4.2.2 führt die Tätigkeiten auf, die obligatorisch GMP erfordern:

  • finale Trocknung / Decarboxylierung,
  • Anpassung und Analyse der Restfeuchte nach Pharmakopöe,
  • Extraktion (3.2.1),
  • Reinigung (3.2.6),
  • Destillation und Fraktionierung,
  • jede Verarbeitung zur Herstellung eines Wirkstoffes (API),
  • Primär- und Sekundärverpackung,
  • Qualitätskontrolle,
  • Chargenfreigabe.

Swissmedic betont zusätzlich:

Eine Apotheke darf kein Cannabis direkt vom Kultivator beziehen, um daraus ein magistrales Arzneimittel herzustellen – es sei denn, das Material wurde zuvor durch einen GMP-zertifizierten Betrieb als API gemäss Art. 7 OAMéd freigegeben.

Kurz gesagt: Jede pharmazeutisch relevante Verarbeitung ist GMP-pflichtig.


Die Grenze zwischen OCStup und LPTh

OCStup → Regelt die Kultivierung

Dies umfasst:

  • Betriebsbewilligung für den Anbau,
  • Sicherheitsvorgaben und Diebstahlschutz,
  • vollständige Rückverfolgbarkeit,
  • Meldepflichten (Kulturbeginn, Ereignisse, Ernten, Lieferungen),
  • die jährliche JARE-Meldung.

LPTh → Regelt die pharmazeutische Verarbeitung

Dies umfasst:

  • jeden Prozess, der die pharmazeutische Qualität verändert,
  • die Herstellung von API oder Intermediaten,
  • Qualitätskontrolle und Freigabe,
  • die Herstellung von Arzneimitteln (inkl. magistrale Zubereitungen bei autorisierten Betrieben).

Die Trennung ist eindeutig:
Kultivierung = GACP + OCStup
Pharmazeutische Verarbeitung = GMP + LPTh + OCStup


Was in der Schweiz tatsächlich verlangt wird

Swissmedic räumt im Merkblatt mit weit verbreiteten Missverständnissen auf:

  • Cultivatoren müssen nicht GMP-zertifiziert sein,
  • sie müssen GACP-Grundsätze anwenden, aber Swissmedic zertifiziert GACP nicht,
  • sie dürfen nur minimale Nacherntearbeiten durchführen,
  • jede pharmazeutisch relevante Verarbeitung muss durch einen GMP-lizenzierten Partner erfolgen,
  • die korrekte GMP-Klassifizierung des Pflanzenmaterials (API, Zwischenprodukt, Fertigarzneimittel) liegt beim GMP-Hersteller, nicht beim Kultivator.

Die Qualitätskette ist wie folgt strukturiert:

  1. Kultivator (GACP + OCStup) → produziert Rohblüten.
  2. GMP-Hersteller (LPTh + OCStup) → führt Decarboxylierung, Extraktion, Reinigung, Chargenfreigabe durch.
  3. Apotheke / autorisierter Betrieb → stellt magistrale Zubereitungen oder andere Arzneiformen her.

Diese klare Aufgabenverteilung gewährleistet pharmazeutische Qualität, regulatorische Sicherheit und eine vollständig rückverfolgbare Lieferkette.

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