Das Swissmedic-Rahmenwerk verstehen
19.11.2025

Vom Verbot zu einem streng kontrollierten pharmazeutischen System
Die Schweiz hat am 1. August 2022 einen grundlegenden Wandel in der Regulierung von medizinischem Cannabis vollzogen. Cannabis mit einem THC-Gehalt von mindestens 1,0 % wurde vom verbotenen Verzeichnis (Liste d) in die Liste a der Betäubungsmitteltabellen-Verordnung (OTStup-DFI) überführt. Damit unterliegt medizinisches Cannabis denselben umfassenden Kontrollmassnahmen wie alle anderen Betäubungsmittel der Liste a, darunter auch Morphin. Dies betrifft insbesondere die Kultivierung, Verwendung und Abgabe gemäss der Betäubungsmittelgesetzgebung.
Gleichzeitig entfiel die bis dahin erforderliche Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) für medizinische Anwendungen. An deren Stelle trat ein strukturiertes System unter der Aufsicht von Swissmedic, das seit der Revision als nationale Cannabisagentur fungiert – entsprechend den Vorgaben des Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe von 1961.
Das Übereinkommen betont das hohe Risiko der Zweckentfremdung während der Kultivierung und verpflichtet die Vertragsstaaten zur Einrichtung einer nationalen Behörde, die Produktion, Erntemengen und Abgabeströme überwacht und kontrolliert. Swissmedic nimmt diese Rolle wahr und ist für Bewilligungen, Inspektionen, Meldesysteme, Sicherheitsanforderungen, Rückverfolgbarkeit und die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Suchtstoffkontrollamt (INCB) verantwortlich.
Bewilligungen und Compliance: das zweistufige Kultivierungssystem
Kern des Schweizer Regulierungssystems ist ein zweistufiges Bewilligungsverfahren, das jeden Kultivierungszyklus steuert.
Der erste Schritt ist die Betriebsbewilligung für die Kultivierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Voraussetzung dafür sind die Eintragung im Handelsregister, die Einhaltung der Lagerungsanforderungen nach Artikel 54 der Betäubungsmittelkontrollverordnung (OCStup), geeignete Sicherheits- und Diebstahlschutzmassnahmen sowie die Ernennung einer verantwortlichen Person (VP) mit akademischer Ausbildung in Naturwissenschaften, Agronomie, Umwelt- oder Forstwissenschaften. Die VP trägt die fachliche Verantwortung für den gesetzeskonformen Umgang mit den Stoffen. Nach Prüfung der Unterlagen und Durchführung der kantonalen Inspektion kann Swissmedic die Bewilligung für maximal fünf Jahre erteilen.
Der zweite Schritt ist die Einzelkultivierungsbewilligung, die jeweils für einen spezifischen Anbauzyklus gilt. Dem Antrag müssen präzise Angaben zu Standort (gegebenenfalls mit GPS-Koordinaten), Anbaumethode (Indoor/Outdoor), Sorten, erwartetem THC-Gehalt, Anbaufläche und prognostiziertem Ertrag beigefügt werden. Zudem ist ein Abnahmevertrag erforderlich, der das abnehmende Unternehmen verpflichtet, die gesamte Ernte zu übernehmen. Nach Erteilung der Bewilligung müssen Beginn der Kultivierung, Zwischenfälle, Teil- oder Gesamternte, gelieferte Mengen sowie allfällige Vernichtungen innert zehn Arbeitstagen an Swissmedic gemeldet werden. Dadurch wird eine vollständige Rückverfolgbarkeit über die gesamte Anbauphase gewährleistet.
Die erlaubten Nachernte-Arbeiten sind streng begrenzt: Zulässig sind lediglich schonende Trocknung ohne Decarboxylierung sowie das Entfernen überschüssiger Pflanzenbestandteile. Jede Tätigkeit, die die pharmazeutische Qualität beeinflusst – etwa Endtrocknung gemäss Pharmakopöe, Extraktion, Destillation, Reinigung oder Fraktionierung – erfordert eine Swissmedic-Betriebsbewilligung nach Heilmittelgesetz (HMG/LPTh) und fällt in den Geltungsbereich der GMP-Regeln. Diese Arbeiten dürfen daher nicht allein auf Grundlage der Kultivierungsbewilligung durchgeführt werden.
Pharmazeutische Nutzung, Lieferkette und Werbebeschränkungen
Nach der Übergabe der Ernte geht die Verantwortung auf das abnehmende Unternehmen über – in der Regel pharmazeutische Hersteller, Grosshändler oder Apotheken –, das sowohl über eine HMG-Betriebsbewilligung als auch über eine OCStup-Bewilligung zum Umgang mit Stoffen der Liste a verfügen muss. Swissmedic stellt klar, dass eine Apotheke kein Cannabis direkt vom Kultivator beziehen darf, um daraus eine magistrale Zubereitung herzustellen, sofern das Material nicht zuvor durch einen GMP-zertifizierten Betrieb als Wirkstoff gemäss Artikel 7 OAMéd freigegeben wurde.
Auch im Bereich der Werbung gelten strenge Regeln. Öffentlichkeitswerbung für Medikamente, die Betäubungsmittel enthalten, ist verboten. Fachwerbung ist nur für Swissmedic-zugelassene Cannabis-Arzneimittel wie Sativex® zulässig. Für magistrale Cannabiszubereitungen dürfen einzig allgemeine Hinweise auf die galenischen Formen gemacht werden – Angaben zu Wirkstoffen, Indikationen oder Dosierungen sind untersagt.
Jahresmeldungen, internationale Berichterstattung und grenzüberschreitende Kontrolle
Alle Inhaber einer Kultivierungsbewilligung müssen jährlich die Jahresrechnung (JARE) an Swissmedic übermitteln – spätestens am 31. Januar des Folgejahres. Sie umfasst Anfangs- und Endbestände, Gesamternte, Anbaufläche, gelieferte Mengen sowie Verluste oder Vernichtungen. Diese Daten fliessen sowohl in die nationale Aufsicht als auch in die jährliche Berichterstattung der Schweiz an das INCB ein.
Für das Berichtjahr 2024 hat Swissmedic ein Übergangssystem eingeführt, das die Meldung auf drei THC-Kategorien beschränkt – 1,0–5,9 %, 6,0–15,9 %, 16,0–30,0 % – und Mutterpflanzen, Samen und Setzlinge vom Reporting ausschliesst. Trotz zweckmässig reduziertem Datensatz bleibt die vollständige Übereinstimmung zwischen physischem Bestand und gemeldetem Bestand zwingend. Swissmedic kann bei Unstimmigkeiten oder verspäteter Einreichung Gebühren erheben oder Inspektionen anordnen.
Grenzüberschreitende Bewegungen von medizinischem Cannabis unterliegen ebenfalls strengen Kontrollen. Für Import oder Export ist eine Einzelbewilligung (Single Permit) von Swissmedic erforderlich, ergänzt durch gegebenenfalls notwendige Bewilligungen des Bestimmungslandes. Jede Transaktion muss innert zehn Arbeitstagen gemeldet werden, und die Bewilligungen sind in der Regel vier Monate gültig. Diese Verfahren gewährleisten die internationale Rückverfolgbarkeit von Stoffen der Liste a und die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz.

